Rubrik: Sonstiges

Meldung von: Ute Niehoff, LFP Redaktion
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50 Jahre Beratung und Aufklärung: Städtische Drogenhilfe feiert Jubiläum

Feierten den 50. Geburtstag der Drogenhilfe Münster (v.l.): Bernhard Paschert (Amt für Kinder, Jugendliche und Familien), Georg Piepel (Leitung Drogenhilfe Münster), Sabine Trockel (Leitung Amt für Kinder, Jugendliche und Familien), Frank Schulte-Derne (Landschaftsverband Westfalen-Lippe) und Stadtdirektor Thomas Paal. Foto: Stadt Münster/Michael Möller

50 Jahre Beratung und Aufklärung: Städtische Drogenhilfe feiert Jubiläum

Münster - Die städtische Drogenhilfe feiert ihren 50. Geburtstag: Seit 1973 ist die Einrichtung des Amtes für Kinder, Jugendliche und Familien feste Anlaufstelle für drogenkonsumierende, suchtgefährdete und drogenabhängige Menschen in Münster und deren Angehörige. Am Freitag, 20. Oktober, beging die Drogenhilfe das Jubiläum mit rund 100 Gästen aus der Sucht- und Jugendhilfe, dem Gesundheitswesen und der Wohnungslosenhilfe sowie aus Justiz, Schule, Politik und Verwaltung.

„Wir halten mit der städtischen Drogenhilfe eine Fachstelle vor, die zukünftigen Anforderungen gewachsen ist“, sagte Stadtdirektor Thomas Paal. „Trotz einer im Gründungsjahr prognostizierten Lebensdauer von maximal zwei Jahren ist die Drogenhilfe zum Erfolgsmodell geworden.“ Hieß es noch im Gründungsjahr 1973, die Drogenhilfe sei zu weit weg von der Zielgruppe, zu bürokratisch und biete keine Anonymität, verzeichnet sie heute jährlich mehr als 3.000 Beratungsgespräche.

„Drogenabhängigkeit trifft nicht nur die konsumierende Person, sondern die ganze Familie“, sagt Georg Piepel, Leiter der städtischen Drogenhilfe. „Gerade, wenn Kinder in Gefahr oder bereits abhängig sind, geraten auch die Eltern regelmäßig in große Probleme. Schuldzuweisungen, Überforderung und Hilflosigkeit stehen auf der Tagesordnung.“ Um diesen Kreis zu durchbrechen, leistet die Drogenhilfe einen wichtigen Beitrag. Professionelle Hilfe und Selbsthilfe stehen seit 50 Jahren gleichrangig nebeneinander.

Wachsende Zahl Drogenabhängiger in den 1970er-Jahren

Am 1. April 1973 nahm die Drogenberatungsstelle Münster in der Bergstraße ihre Arbeit auf. Vorausgegangen war eine „Drogenwelle“, die Ende der 1960er-Jahre Deutschland erfasste und eine wachsende Zahl drogenabhängiger Jugendlicher in Münster mit sich brachte. Die Drogenszene wuchs kontinuierlich, in der Stadt entstanden an verschiedenen Orten sogenannte „Drogenumschlagplätze“ – vorwiegend für Heroin. 1979 registrierte die Polizei bereits 200 Drogenabhängige in Münster. 

Die Nachfrage in der Drogenberatung stieg in den 1980er-Jahren weiter an. Das Buch „Christiane F. – Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ machte auf die wachsende Drogenproblematik aufmerksam, Schulen bekundeten verstärkt Interesse an Veranstaltungen zur Vorbeugung und Aufklärung. HIV und Aids brachten ebenfalls neue Herausforderungen mit sich. Die Drogenberatungsstelle zog in die Bolandsgasse und erweiterte ihr Angebot. 1989 entstand zudem ein niedrigschwelliges Kontaktcafé an der Herwarthstraße unter der Trägerschaft des Drogenhilfezentrums Indro e.V.

Dauerhafte Bleibe in der Schorlemerstraße

In den 1990er-Jahren passte sich die Drogenberatung neuen Zielgruppen an und verbesserte die Rahmenbedingungen. An der Grevener Straße entstand ein offener Treff, das „Frühstücksangebot“ entwickelte sich zu einem regelmäßigen Treffpunkt, ein „Frauencafé“ wurde ins Leben gerufen. 1993 folgte dann der nächste und bis heute letzte Umzug der Drogenhilfe in die Räume an der Schorlemerstraße.
Gleichzeitig entstanden neue Herausforderungen, Ecstasy stand mehr und mehr im Mittelpunkt und Münster entwickelte sich Mitte des Jahrzehnts zu einer Techno-Hochburg. Weitere Drogen kamen auf den Markt und die Drogenhilfe startete neue Formen der Beratung. 1996 gründete sich die Szeneinitiative „eve & rave“ mit dem Ziel, Aufklärung zu betreiben. Seit 1999 ist das Angebot fest in die Suchtprävention und das Konzept der Drogenhilfe integriert.

Trendwende in den 2000er-Jahre

Die 2000er-Jahre markierten eine Trendwende: Ecstasy, Speed und Amphetamine hatten Konjunktur, der Konsum von Heroin war rückläufig. 2001 öffnete der erste Drogenkonsumraum in Nordrhein-Westfalen in Münster in den Indro-Räumlichkeiten am Bremer Platz. Der Konsum in der Öffentlichkeit und die Zahl an Drogentoten reduzierte sich in den Folgejahren merklich. 

Einen zunehmend größeren Stellenwert in der Arbeit der Drogenhilfe nahm die Suchtprävention ein. Der zunehmend problematische Umgang mit Alkohol und die Diskussion um „Alkopops“ führten zur Planung der Kampagne „Voll ist out“, seit 2004 fester Bestandteil der Suchtprävention der Drogenhilfe.

Cannabiskonsum steigt in 2010er-Jahren

Auf den steigenden Cannabiskonsum in den 2010er-Jahren reagierte die Drogenhilfe unter anderem mit der Einrichtung des Arbeitsbereiches Jugendsuchtberatung. 2010 startete das Gruppenangebot FreD (Frühintervention bei erstauffälligen Drogenkonsumenten), das sich an jugendliche Straftäter richtet, die in Zusammenhang mit Drogenkonsum erstauffällig geworden sind. 

Eine Trendwende ereignete sich im Jahr 2015: Erstmals seit Bestehen der Einrichtung kamen mehr Menschen wegen des Konsums von Cannabis als des von Opioiden in die Beratung. In den vergangenen Jahren stieg der Anteil der Cannabis-Beratungen auf zuletzt 65 Prozent im Jahr 2022. Gleichzeitig werden die Konsumentinnen und Konsumenten zunehmend jünger.

Die Jahre 2020 bis 2022 standen im Schatten der Corona-Pandemie. Präventionsangebote und niedrigschwellige Angebote wurden ausgehebelt. Im suchtbegleitenden Bereich brachen bis zu 70 Prozent der Kontakte ab, in der Beratung bis zu 30 Prozent. Im Jugendbereich verlagerte sich der Konsum zwangsläufig in den häuslichen Bereich. Fehlende Konsumgelegenheiten wegen untersagter Party- und Großveranstaltungen führten zu einer erhöhten „Sichtbarkeit“ aufgrund des engeren Zusammenrückens der Familien.

Neue Herausforderungen im 50. Jahr der Drogenhilfe

Die Nachwirkungen der Pandemie sind sowohl zahlenmäßig in der Erwachsenen- als auch in der Jugendberatung bis heute zu spüren. Und so stellen neue Zielgruppen und sich verändernde Rahmenbedingungen die Drogenhilfe auch im 50. Jahr ihres Bestehens vor immer neue Herausforderungen. 

Die geplante Legalisierung von Cannabis zum Beispiel berge viele Chancen für die Suchtprävention, „könnte von jungen Menschen allerdings auch als falsches Signal hinsichtlich der Gefährlichkeit dieser Droge gerade für diese Altersgruppe interpretiert werden“, sagt Georg Piepel. Eine wesentliche Aufgabe wird es daher sein, den Arbeitsschwerpunkt „Jugendsuchtberatung“ und den Fachdienst Suchtprävention in der Drogenhilfe noch stärker zu profilieren und aktuellen Bedarfen anzupassen.