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Rubrik: Sonstiges

Meldung von: Ute Niehoff, LFP Redaktion
Rubrik: Sonstiges

Von Seuchen und Schneewittchensärgen: Die "Pest!" im LWL-Museum für Archäologie in Herne

Jörg Spors (li.) und Sebastian Leitner von der Analytischen Task Force NRW Biologie lieferten heute mit dem Einsatzfahrzeug der Feuerwehr Essen erste Exponate für die Sonderausstellung "PEST!" an. Foto: LWL/J. Schubert

Von Seuchen und Schneewittchensärgen: Die "Pest!" im LWL-Museum für Archäologie in Herne

Herne - Ab dem 20. September steht das Museum für Archäologie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Herne im Zeichen der Sonderausstellung "PEST!". Erstmals wird die Geschichte der Pest in einem großen kulturhistorischen Format präsentiert. Acht Monate lang zeigt das LWL-Museum über 300 Objekten aus Archäologie, Geschichte und Kunstgeschichte, um die tödliche Krankheit näher zu beleuchten. Zum Aufbau der Ausstellung rückte die Feuerwehr mit einem besonderen Fahrzeug in Herne an.

Im Jahr 1720 kam es im französischen Marseille zum letzten größeren Ausbruch der Pest in Westeuropa. Doch das bedeutet nicht, dass der Erreger keine Bedrohung mehr ist. "Auch heute noch kommt es in Teilen der Welt zu Erkrankungen, die auf den Pesterreger zurückzuführen sind", führte Museumsleiterin Dr. Doreen Mölders an.

Aus diesem Grund gibt es in Essen zwei spezielle Infektions-Rettungswagen und die "Analytische Task Force NRW Biologie". Im Falle eines Verdachts auf eine Infektion mit dem Pesterreger oder anderen hoch ansteckenden Krankheiten rückt die Feuerwehr Essen mit ihren Einsatzfahrzeugen aus. "Als Task Force können wir bundesweit agieren", berichtete Jörg Spors, Hygienebeauftragter der Stadt Essen und Mitglied der Task Force. "Wenn wir angefordert werden, können wir innerhalb unseres Einsatzradius in drei Stunden vor Ort sein."

Der Einsatz am LWL-Museum ist jedoch kein Notfall: Das Team um Jörg Spors stellt einen Teil seiner Ausrüstung dem Museum für die kommende Sonderausstellung zur Verfügung. Neben Seuchen-Schutzanzügen gibt die Feuerwehr Essen einen sogenannten Schneewittchensarg als Leihgabe. "Das ist eine spezielle Trage, die von einer luftdichten Hülle umgeben ist", erklärte Spors. "Darauf können wir einen infizierten Menschen transportieren und verringern das Risiko, dass andere angesteckt werden." Die Trage erinnert wegen dieser durchsichtigen Hülle an den gläsernen Sarg von Schneewittchen.

Da die Task Force bei der Feuerwehr Essen angesiedelt ist, kann sie auf die Infektions-Rettungswagen der Feuerwehr zurückgreifen. Diese sind speziell für den Transport von infizierten Personen ausgestattet. "Unsere Aufgabe ist aber nicht nur der sichere Transport von Patienten, sondern auch Proben zu nehmen und den Erreger in erster Instanz zu identifizieren", sagte Spors. "Wir können noch am Einsatzort feststellen, womit wir es zu tun haben. Dadurch können wir besser auf das Problem reagieren." Unter anderem gebe es auch einen Schnelltest zur Identifikation des Pesterregers, von denen die Task Force einige dem Museum zur Verfügung stellt.

Die vor Ort genommenen Proben werden schnellstmöglich in ein Labor gebracht, wo sie dann genauer untersucht werden. Vor Abschluss eines Einsatzes desinfiziert die Task Force den Ort mit einem Spezialgerät, das ebenfalls in Herne zu sehen sein wird. Damit können ganze Räume mittels chemischer Dämpfe von Bakterien und Viren befreit werden.

Pest: Krankheit und Mythos
Die Pest ist eine Seuche, die die Menschheit durch alle Epochen ihrer Geschichte begleitete. Sie forderte Millionen Tote und führte zu tiefgreifenden Veränderungen in den betroffenen Gesellschaften. Diese Entwicklung soll die Ausstellung verdeutlichen. Sie thematisiert aber auch die Wirksamkeit moderner Medizin und Präventionsmaßnahmen, die das Risiko von Infektionskrankheiten weitgehend eingedämmt haben.

Das LWL-Museum für Archäologie beschäftigt sich als erstes Museum in einer großformatigen Ausstellung umfassend mit der Pest. Bislang wurde die Seuche nur zeitlich oder lokal begrenzt behandelt. Doch die Herner Sonderausstellung befasst sich von der Steinzeit bis in die Moderne ausführlich mit der Pest. Sowohl mit der Krankheit selbst, als auch mit ihren weitreichenden Konsequenzen.

Was genau verbirgt sich hinter der Pest? In erster Linie ist es das Bakterium "Yersinia pestis". Der Erreger ist der Auslöser für die Seuche. Im Mittelalter wurde als Ursache der sogenannte Pesthauch angesehen: Giftige Dämpfe, die eingeatmet wurden, sich im Körper festsetzten und dann beim Ausatmen an andere weitergegeben wurden. Erst im 19. Jahrhundert gelang es der Wissenschaft, das Bakterium als Ursprung der Pest zu entdecken. Dass die modernen Varianten von Yersinia pestis identisch sind mit den Erregern, die in vergangenen Zeiten Seuchen auslösten, wurde erst 2011 festgestellt.

Hinter der Pest verbirgt sich aber noch weit mehr. Sie hat eine enorme psychologische Wirkung entwickelt und sich tief ins kollektive Gedächtnis eingebrannt. Noch heute wünscht man manchmal einer unliebsamen Person die Pest an den Hals. Die Seuche ist Bedrohung und Mythos zugleich, denn sie hatte enorme Auswirkungen auf die Menschheit.

Neben dem Pesthauch suchten die Menschen im Mittelalter nach weiteren Erklärungen für die todbringende Seuche. Die Pest löste geradezu eine Hysterie aus, in deren Folge nach Schuldigen gesucht wurde. In vielen Städten kam es zu Judenverfolgungen, da man ihnen unterstellte, die Brunnen vergiftet zu haben. Einige der verfolgten Juden versteckten aus Angst ihr Geld und ihren Schmuck. Dass Juden der Krankheit aber genauso zum Opfer fielen wie auch Christen, wurde dabei nicht beachtet.

Die Pest ist aber nicht nur ein Phänomen des Mittelalters. Schon in der Antike gab es große Pandemien, die in vielen Wellen weite Teile Europas erfassten. Neuste Forschungen konnten sogar nachweisen, dass schon die Menschen der Steinzeit vom Pestbakterium befallen waren. Den letzten großen Ausbruch in Westeuropa gab es Anfang des 18. Jahrhunderts in Marseille. Der Anker des Schiffes, das die Pest in die Stadt brachte, wird in der Ausstellung zu sehen sein.

"Die Pest hat eine lange Geschichte, die bis heute reicht", führt Dr. Stefan Leenen, Kurator der Ausstellung an. "Umso spannender ist es, sich mit ihr auseinanderzusetzen und die Ergebnisse einem breiten Publikum zu präsentieren." Gab es den berühmten Pestdoktor mit der Schnabelmaske wirklich? Und welche Spuren hat die Pest in Westfalen hinterlassen?

Diesen und weiteren Fragen geht die neue Sonderausstellung des LWL-Museum für Archäologie vom 20. September 2019 bis zum 10. Mai 2020 nach. Darüber hinaus wird es auch im Laufe der Ausstellungsdauer ein passendes Herbstferienprogramm und Vorträge geben.
Ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Führungen, Vorträgen und Aktionstagen wird die Sonderausstellung ergänzen.