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Rubrik: Gesundheit, Medizin & Ernährung

Meldung von: Ute Niehoff, LFP Redaktion
Rubrik: Gesundheit, Medizin & Ernährung

Offene Türen nehmen Psychiatrie-Patienten den Druck

Sie eröffneten die 5. Dortmund-Hemeraner-Fachtagung: (v.l.) Dr. Peter W. Nyhuis (Marienhospital Herne-Eickel), Dr. Martin Zinkler (Kliniken Landkreis Heidenheim), Gisa Lieweris-Amsbeck (LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie Dortmund), Prof. Dr. Meinolf Noeker (LWL-Krankenhausdezernent), Dr. Patrick Debbelt (LWL-Klinik Hemer), Prof. Dr. Hans-Jörg Assion (LWL-Klinik Dortmund), Prof. Dr. Karl H. Beine (St. Marien-Hospital Hamm), Yvonne Auclair (LWL-Klinik Dortmund), Uwe Johansson (LWL-Klinik Dortmund). Foto: LWL/Angelika Nehm

Offene Türen nehmen Psychiatrie-Patienten den Druck

Dortmund - Offene Türen in einer geschlossenen Psychiatrie-Abteilung? Was zunächst als Widerspruch klingt, ist ein erfolgreiches Konzept, das eine positive und offene Haltung gegenüber Menschen mit psychischer Krankheit fördert und damit den Patienten selbst zugute kommt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) setzt das Konzept "Open Doors" in einigen seiner Einrichtungen um.

Rund 200 Fachleute diskutierten bei der 5. Dortmund-Hemeraner Fachtagung in der LWL-Klinik Dortmund über Chancen und Risiken von offenen Türen in psychiatrischen Kliniken.
Offene Türen sind eine Herausforderung an Patienten wie an Kliniken: "Das Konzept Open Doors ist eine Frage der Haltung von Therapeutinnen und Pflegern", betont LWL-Krankenhausdezernent Prof. Dr. Meinolf Noeker, "sie müssen dabei eine viel intensivere Beziehung zum Patienten aufbauen." Wo mit größerem Verständnis Patienten in ihren Menschenrechten ernst genommen würden, dort wachse auch die Sicherheit. Das mache ständig verschlossene Türen auf vielen Stationen überflüssig. "Die offene Tür ist bei einer offenen Haltung gegenüber dem Patienten die logische Folge", bestätigt Prof. Dr. Hans-Jörg Assion, der Ärztliche Direktor der LWL-Klinik Dortmund. In der Dortmunder LWL-Klinik wird das Konzept Open Doors erfolgreich umgesetzt. "Mit der Öffnung gelingt eine freiwillige, selbstbestimmte Behandlung weitaus besser. Verbunden sind damit die Bereitschaft beim Patienten, den therapeutischen Zielen zu folgen", so Assion. Eine weitere positive Folge dieser Öffnung: Vorurteilen gegenüber der Psychiatrie könne somit der Boden entzogen werden, so Assion.

Ein Beispiel: In der Gerontopsychiatrie der LWL-Klinik Dortmund ist in der vormals geschlossenen Station P2 die Tür täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Auf neun der zehn vormals geschlossenen Stationen ist das in der gesamten LWL-Klinik Dortmund laut Assion mittlerweile Alltag. "Das Gefühl freier Entscheidung nimmt bei den Patienten zu und somit sinkt der Druck, sich befreien zu wollen", berichtet Assion. Die Mehrzahl aller gewaltsamen Übergiffe von Patienten in der Allgemeinpsychiatrie lasse sich auf den Druck des Eingeschlossenseins zurückführen. Offene Türen verminderten das Gewaltpotential auf den Stationen deutlich und stärkten die Selbstbestimmung der Patienten.

Vier Fragen an Uwe Johansson, Oberarzt der gerontopsychiatrischen Station P2 der LWL-Klinik Dortmund:
Frage: Was bedeutet das im Alltag, wenn auf Ihrer Station P2 tagsüber die Türen geöffnet sind?
Uwe Johansson: Wir haben vor allem Patienten mit schizophrenen, affektiven und demenziellen Erkrankungen, die zu einem Großteil auch zwangseingewiesen sind. 70 bis 80 Prozent der Patienten haben eine mittlere bis schwere dementielle Erkrankung, zu der oftmals auch ein starker Bewegungs- und Fluchtdrang gehört. Wir versuchen dabei nicht, die Menschen aktiv in der Bewegung zu hindern, sondern sie zu beruhigen und Ablenkungen zu schaffen.

Frage: Mit welchen Methoden schaffen Sie es, dass Patienten die Station nicht verlassen?
Uwe Johansson: Wir haben die Ausgangstür durch ein farbliches Konzept gestaltet. Die Tür ist nicht mehr sofort wahrnehmbar, der Drang zur Tür lässt nach. Wir beruhigen die Patienten mithilfe einer virtuellen Fahrt durch Dortmund, die sie auf einem großen Bildschirm verfolgen können. Das bietet zusätzlich den Vorteil, einen Ansatz für die Biografiearbeit mit den Patienten zu ermöglichen, wenn sie Straßen oder Gebäude wiedererkennen. Ein schön gestalteter, gesicherter Innenhof mit Garten ermöglicht den Blick zum Himmel. Wir haben oft erlebt, dass es für Demenzerkrankte ein bewegendes Erlebnis ist, den freien Himmel sehen zu können. Ergotherapeutische Angebote, Clownsvisiten auf der Station und Musiktherapie sind einige der vielen Möglichkeiten, den Drang zur Tür zu verringern.

Frage: Aber was unternehmen Sie, wenn doch ein Patient durch die nicht verschlossene Tür die Station verlassen will?
Uwe Johansson: Wir versuchen, mit dem Patienten über sein Vorhaben ins Gesprächzu kommen. Ein multiprofessionelles und geschultes Team sitzt an der Pforte und geht mit Gesprächen auf den Patienten ein. Wenn klar ist, dass der Patient zum Beispiel aus Neugier nur deswegen die Station verlassen will, weil er einmal die Nachbarstation sehen will, dann begleiten wir ihn dorthin. Ist die Neugier befriedigt, kehrt der Patient auch freiwillig und zufrieden wieder zurück zu seiner Station.

Frage: Ist für die Mitarbeitenden auf der Sation der zeitliche Aufwand bei geöffneten Türen nicht wesentlich größer?
Uwe Johansson: Das ist kein höherer, es ist ein anderer Aufwand. Früher führte die geschlossene Stationstür bei vielen Patienten zu mehr Stress und Agressivität, die die Mitarbeiter auf der Station auffangen mussten. Jetzt haben wir mehr Zeit, um auf die Patienten positiv zu- und einzugehen.

Hintergrund:
Bei den Dortmund-Hemeraner-Tagen widmete sich der erste Tag der allgemeinen Psychiatrie, der zweite der forensischen Psychiatrie. Am ersten, von der Allgemeinpsychiatrie gestalteten Tag beschäftigten sich die Fachleute inhaltlich u.a. mit dem Thema "Klinik mit offenen Türen? - Moderne Psychiatrie im Wandel" und mit der erforderlichen offenen Haltung gegenüber dem Patienten.
Am zweiten Tag stand die Forensische Psychiatrie im Mittelpunkt. Bei den weiterhin geschlossenen Türen der LWL-Maßregelvollzugskliniken zeigten die Vorträge hier wirksame Wege auf, den Patientinnen und Patienten Schritt für Schritt die Türen zu einem straffreien Leben innerhalb der Gesellschaft zu öffnen. Unter anderem wurde aufgezeigt, welche Maßnahmen eine langfristig sichere Rehabilitation unterstützen, wie etwa die forensische Nachsorge.
Die Dortmund-Hemeraner-Fachtagung ist eine gemeinsame Veranstaltung der LWL-Klinik für Forensische Psychiatrie Dortmund/Wilfried-Rasch-Klinik, der LWL-Klinik Hemer/Hans Prinzhorn-Klinik und der LWL-Klinik Dortmund. Knapp 200 Fachbesucher aus der ganzen Bundesrepublik nahmen an der zweitägigen Veranstaltung teil.