Rubrik: Sonstiges

Meldung von: Ute Niehoff, LFP Redaktion
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“Beratungshaus Inklusion“ - Rund 600 Anfragen seit 2012 im Beratungshaus Münster

Beratungssituation im Bereich Assistive Technologien: Marcel Feichtinger (v.l.) und Victoria Loges. FOTO: LWL/Wagener

“Beratungshaus Inklusion“ - Rund 600 Anfragen seit 2012 im Beratungshaus Münster

Münster - Im Rahmen der Umsetzung der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN BRK) werden immer mehr Kinder und Jugendliche mit Behinderungen in der Allgemeinen Schule im Gemeinsamen Lernen unterrichtet. Schulische Inklusion wirft bei den Beteiligten viele Fragen auf. In Münster wenden sich Eltern, Lehrer und Erzieher von Kindern und Jugendlichen mit besonderen Unterstützungsbedarfen seit sechs Jahren mit ihren Fragen an das "Beratungshaus Inklusion" in Münster.

Der Erfolg dieser Einrichtung spiegelt sich in Zahlen wider. Etwa 600 Anfragen sind seit 2012 im Beratungshaus Münster eingegangen, das der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) gemeinsam mit der Bezirksregierung Münster in Abstimmung mit der Stadt Münster eingerichtet hat.

Das Beratungshaus Inklusion in Münster ist das erste von mittlerweile vier Beratungshäusern in Westfalen-Lippe, die der LWL gemeinsam mit den Bezirksregierungen Münster, Arnsberg und Detmold sowie den Städten Münster und Gelsenkirchen und den Kreisen Paderborn und Olpe eingerichtet hat.

Ziel der Beratungshäuser ist es, für einen gleichberechtigten Zugang gehandicapter junger Menschen zum Bildungssystem zu sorgen und Beratungsangebote unter einem Dach zu bündeln. Im Beratungshaus arbeiten Sonderpädagogen unterschiedlicher Fachrichtungen zusammen mit Fachkräften des LWL aus Therapie und Pflege. Sie informieren die Anfragenden über adäquate regionale Bildungsmöglichkeiten und -wege, über Unterstützungmöglichkeiten und praktische Hilfsmittel. Dazu gehören etwa behinderten-gerechte PC-Bildschirme oder barrierefreie Zugänge für den Schul- und Lernalltag. Die Bündelung verschiedener Fachkompetenzen, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und die Kooperation mit unterschiedlichen Partnern wie Kindertagestätten, Frühförderstellen, Schulen, Kliniken, Ärzten, Hilfsmittelfirmen und der Agentur für Arbeit bietet dabei die Möglichkeit einer differenzierten und qualifizierten Beratung - und zwar unter einem Dach, so dass Ratsuchenden das Anlaufen verschiedener Stellen erspart bleibt. Die Mitglieder des Beratungsteams verstehen sich als Berater und als "Lotsen" für Ratsuchende zu Fragestellungen aus dem Bereich der inklusiven Bildung.

Zum Beispiel Victoria Loges. Trotz körperlicher Einschränkung war es der Lehramtsstudentin mit Unterstützung des Beratungshauses in Münster möglich, das Abitur auf einem Regelgymnasium zu absolvieren. "Der erste Schritt in Richtung Beratungshaus ging von der Sonderpädagogin des Schlaun-Gymnasiums in Münster aus", sagt die 19-jährige. "Sie hat mich angesprochen und auf die mögliche Hilfe aufmerksam gemacht." Nach ausführlichen Beratungsgesprächen mit Vertretern des Beratungshauses sowie der Sonderpädagogin Julia Mannefeld und der Lehrerin Iris Brandewiede des Schlaun-Gymnasiums konnte für Victoria Loges die passende Unterstützung gefunden werden. Ein Fachberater des Beratungshauses empfahl die Nutzung einer Texteingabesoftware durch Sprache inklusive Notebook zur Bewältigung der umfangreichen schriftlichen Anforderungen im Abitur.

Das Beratungshaus Inklusion unterstützte in der Auswahl der Hilfsmittel und begleitete die Ratsuchende im Prozess der Hilfsmittelversorgung. Zu den Hilfestellungen zählte auch, dass die Schulaufsicht einen Zeitzuschlag bei den Klausuren gewärte. "Eigentlich war es mir unan-genehm, Hilfsmittel bei Klausuren in Anspruch zu nehmen, weil ich keine Sonderbehandlung wollte", betont Victoria Loges. "Im Nachhinein bin ich aber froh und dankbar darüber, dass ich diese Hilfen bekommen habe". Nach einer weiteren Beratung wird Victoria Loges passende technische Hilfsmittel ebenso in ihrem Kunststudium einsetzen können.

Auch Peter Heidenreich, Leiter des Beratungshauses in Münster, freut sich über die positive Resonanz: "Die Beratungsanfragen der vergangenen sechs Jahre in Münster zeigen, dass das Beratungshaus mit seinen Hilfsangeboten eine hohe Akzeptanz bei den Ratsuchenden hat." Auch in diesem Jahr seien es bereits 120 Anfragen. Die Nachfrage steige stetig.

"Die Beratungshäuser sollen mit ihrem Angebot auch dazu beitragen, die bisherige Qualität der Förderung von Kindern und Jugendlichen mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf im Zuge der schulischen Inklusion zu sichern. Uns kommt es darauf an, dass alle Kinder und Jugendlichen unabhängig vom Förderort ihren Möglichkeiten entsprechend optimal gefördert werden", so LWL-Jugend- und Schuldezernentin Birgit Westers. "Mit dem Beratungshaus Inklusion in Münster ist es gelungen, gemeinsam ein von Eltern und Lehrkräften sehr akzeptiertes System zu entwickeln. Es hat sich gezeigt, dass multiprofessionell begleitete Beratungsprozesse den Beratungserfolg deutlich steigern", ergänzt Uwe Eisenberg, der leitende Regierungsschuldirektor der Bezirksregierung Münster.

Victoria Loges möchte auch andere Menschen mit Handicap dazu motivieren, die Unterstützung des Beratungshauses anzunehmen. "Die Herausforderungen in Schule, Studium und Beruf lassen sich mit Hilfestellung leichter bewältigen", betont sie.

Hintergrund:
Die Forderung der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen nach gleichberechtigter Teilhabe in allen Lebensbereichen gilt auch für Schulen. Für den Bildungsbereich fordert die UN-Konvention von 2009 das Recht auf Bildung für Menschen mit Behinderungen und den gleichberechtigten, diskriminierungsfreien Zugang zur allgemeinen Schule, und zwar wohnortnah im sozialen Umfeld.

Der LWL verfügt unter anderem als Träger von westfalenweit 35 Förderschulen mit rund 6.500 körperbehinderten oder sinnesgeschädigten Kindern und Jugendlichen über große Erfahrung im Bereich der gleichberechtigten Teilhabe von Menschen mit Behinderung in allen Lebensbereichen und tritt für eine qualitätsvolle Förderung von Schülerinen und Schülern mit sonderpädagogischem Unterstützungsbedarf insbesondere in den Förderschwerpunkten Körperliche und motorische Entwicklung, Hören und Kommunikation, Sehen und Sprache ein.
Bei der Wahl des schulischen Förderortes ist grundlegend der Elternwille mit zu berücksichtigen. Der Vielfalt soll Rechnung getragen werden. So bietet die Bezirksregierung Münster in Abstimmung mit den jeweiligen Schulträgern regional ein Angebot an Förderschulen und mittlerweile flächendeckend schulformübergreifend das Gemeinsame Lernen an Allgemeinen Schulen an. Ergänzt wird dieses durch die Kooperation mit den Bildungs-einrichtungen und Einrichtungen in freier Trägerschaft sowie sonstiger Partner der Stadt.